Medien als touristische Sprachtrainer TEIL 2

 

Das Fernsehen konnte bestehende Sprach- und Mentalitätsblockaden im Tourismus nicht immer so erfolgreich wie in Ägypten vermitteln und überwinden. (Mehr darüber im 1. Teil dieses Beitrages.) Ein negatives Beispiel können wir derzeit in den Entwicklungen der Wirtschaftskrise in Griechenland beobachten. Möglicherweise wird in den nächsten Tagen der „Grexit“ Realität. Völlig unabhängig vom politischen Hick-Hack zwischen EU und Griechenland werden Touristen aber auch zukünftig ihren Urlaub auf den griechischen Inseln genießen. Und die Griechen werden ihre Gastgeberrolle auch weiterhin erfolgreich spielen, um ihr Dilemma zu überwinden. Für meine Ausführungen konzentriere ich mich hierbei auf die Entwicklungen auf der beliebten Ferieninsel Korfu.

Sprachliche Selektionen im Tourismusmarkt

Als ich vor 13 Jahren das erste Mal die „grüne Insel“ Korfu kennenlernte, war es noch nicht so einfach, nur mit englischer Sprache zu kommunizieren. Im Gegenteil gehörte auch ich zu den vielen Urlaubern, die sich darum bemühten etwas griechisch zu sprechen. Für uns Mitteleuropäer bedeutete ein Urlaub auf Korfu eine willkommene Alternative zu Italien oder zur Türkei. Damals war der Euro noch sehr jung in Griechenland und man spürte regelrecht den Optimismus und Stolz der Korfioten, ein vollwertiges Mitglied in einer großen Wirtschaftsunion zu sein. Dieses Bild wurde nicht zuletzt von den heimischen Medien projiziert und bestärkte wiederum den Tourismus, sich verstärkt um die ausländischen Zielgruppen zu kümmern. Als Mitglied der Eurozone war plötzlich ein gewisser Spielraum vorhanden, um touristische Zielgruppen zu klassifizieren. Die Medien und nicht zuletzt das Fernsehen sind praktikable Abholstationen von Informationen, die den Griechen erklärt haben, welche Urlaubergruppen in sprachlicher Hinsicht ganz besonders fürsorglich bemuttert werden sollten. Der erlauchte Kreis beschränkte sich rasch auf ein sehr großes deutschsprachiges Publikum und einen zusammengefassten englischsprachigen Rest. (Zu diesem Rest zählen außer Briten auch sämtliche Resteuropäer.) Aber speziell die Dominanz der deutschsprachigen Mitteleuropäer hat sehr schnell Wirkung auf der Insel gezeigt. Vorbei waren unsere Bemühungen, für einen interaktiven Kulturaustausch auch etwas griechisch zu sprechen. Jetzt setzten wir von unseren Gastgebern voraus, dass sie die deutsche Sprache beherrschten. Und die Griechen haben alles daran gesetzt, diese Erwartungen zu erfüllen. Der touristische Markt auf Korfu hat sich aber nicht nur sprachlich gut erkennbar selektiert.

Über Kulturclash und „verkaufte Seelen“

Während die deutschsprachigen Mitteleuropäer auf gehobenen Standard, Individualität und Ruhe setzen, vor allem aber von morgens bis abends verwöhnt werden wollen, erwarten die Resteuropäer, allen voran die Briten, Non-Stop Action und Entertainment. Dieses mediale Bild setzte sich im kollektiven Gedächtnis der Griechen durch. Die touristische Kulturschere ist heute schon so groß, dass sich ein Teil der Hotelbesitzer nur noch deutschsprachige Gäste wünscht. Man kennt die deutschsprachigen Urlauber auf der Insel und ihre hohen Ansprüche. Umgekehrt liegen Teile des Nordens und nahezu der komplette Süden Korfus fest in den Händen der britischen Touristen. „Fahren Sie nicht in den Süden, da haben die Korfioten ihre Seele verkauft“, warnte mich einmal einer der deutschen Urlauber. Leider hatte er Recht. Im touristischen Süden verweist nichts mehr auf die einstige Schönheit der grünen Insel. Heute werden dort wilde Partys gefeiert. Die Spuren dieses Entertainmentverlangens durchfährt man tagsüber direkt auf den zugemüllten Straßen. Auch hier haben die Medien ihre Wirkung gezeigt und die Korfioten gelehrt, welche Sprache die britischen Touristen am liebsten sprechen. All diese Entwicklungen ereigneten sich lange vor der griechischen Wirtschaftskrise, manövrierten die Korfioten allerdings direkt in ihr heutiges Dilemma.

Das unterdrückte Unbehagen

Ich persönlich empfinde die Korfioten auch heute noch, während dem Höhepunkt der Krise, als großartige und freundliche Gastgeber. Die Insel scheint unberührt von den dramatischen Vorgängen im Land zu sein. Der Tourismus ist die wichtigste Stütze und deshalb bleibt den Einheimischen gar nichts anderes übrig, als ihre volle Konzentration auf das Wohlbefinden ihrer Gäste zu verlagern. Wer jedoch in Gespräche mit Korfioten findet, der entlarvt sehr schnell das unterdrückte Unbehagen und erkennt die vielen Sorgen. Viele Lebensmittel sind heute unbezahlbar und einfache Knabbereien gehören zu Luxusgütern, die wohlüberlegt gekauft werden sollten. Hinzu kommt, dass Medien die einstigen Freundbilder Deutschlands zu Feindbildern deformieren, die speziell an die deutsche Politik adressiert sind. Kein Wunder also, wenn plötzlich nicht mehr alle deutschsprachigen Touristen als Deutsche betrachtet werden. Trotzdem muss man ganz genau darauf achten, um die Extraportion Freundlichkeit zu erkennen, die man als geouteter Österreicher erfährt. Egal, welchen Weg die Krise in den nächsten Wochen einschlägt, übrig bleibt das unterdrückte Unbehagen der Korfioten. Die Lösung von diesem Unbehagen wird sehr schwierig sein und wahrscheinlich auch sehr lange dauern. – Mindestens genauso lange wie die sprachlich-kulturellen Selektionen im Tourismus stattgefunden haben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Medien als touristische Sprachtrainer TEIL 1

 

Die Sprache ist immer noch das großartigste und bedeutungsvollste Medium der Welt. Daran werden auch die sogenannten „neuen Medien“ in Zukunft nichts ändern. Offen bleibt in ferner Zukunft eigentlich nur, ob die Menschheit eines Tages in der Lage sein wird, mit nur einem Sprachsystem zu kommunizieren und wie dieses Sprachsystem dann aussehen könnte. Tendenziell kann besonders in den beliebtesten Reisedestinationen dieser Welt sehr gut beobachtet werden, wie bestimmte Sprachsysteme Dominanz erlangen. Eine Dominanz, die speziell auf das Fernsehen zurückzuführen ist.

Das Fernsehen als globaler Sprachtrainer

Mit zunehmendem Alter wird es nahezu unmöglich, eine fremde Sprache zu lernen. Aber wir wissen auch, dass man eigentlich niemals zu alt ist, um etwas zu erlernen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch das Fernsehen. Ist Fernsehen ein Medium, das uns zunehmend verroht? Oder überwiegt der Bildungscharakter des Mediums. Beide Eigenschaften können heute unumstritten dem Fernsehen zugeschrieben werden. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wenn Fernsehen auch zukünftig kein interaktives Medium sein wird. Die Kraft es Fernsehens liegt nämlich gerade in seiner Passivität. Das Pull-Medium bleibt ein Pull-Medium, weil gerade diese Eigenschaft von Fernsehkonsumenten geschätzt wird. Die direkte und sofortige Antwort auf eine bestimmte Botschaft ist bei diesem Medium weder möglich, noch von Sendern und Empfängern erwünscht. Mich interessiert in diesem Zusammenhang speziell die Bildungsfunktionalität, die über die heimischen Grenzen hinaus erst mit dem Einzug von Satellitenfernsehen an globaler Bedeutung für touristische Länder gewonnen hat.

Wie das Fernsehen Ägypten zu einem der beliebtesten Urlaubsziele formte

Als ich in den 90ern das erste Mal meinen Urlaub in Ägypten verbrachte, war es für mich nahezu unmöglich, mit den Einheimischen zu kommunizieren. Damals konnte man arabisch oder französisch sprechen, um sich nicht mit Händen und Füssen mitteilen zu müssen. Englisch wurde nur von wenigen Ägyptern gesprochen. Kaum 15 Jahre später war ich wieder in Ägypten und über die sprachlichen Entwicklungen mehr als überrascht. Mein damaliger Urlaub in Ägypten führte mich auch zu neuen Erkenntnissen über die Entwicklung von Fernsehkulturen. Egal, ob ich durch Luxor oder Assuan fuhr, überall konnte ich mich selbst davon überzeugen, dass das Fernsehen mittlerweile auch in den bescheidensten Behausungen ein festes Zuhause gefunden hat. „Ägypten ist heute auch das Land der Satellitenschüsseln“, wie mir unser Reiseleiter schmunzelnd erzählte. Und es wäre deshalb auch sehr kurzsichtig anzunehmen, dass die Kulturkenntnisse der einheimischen Straßenhändler, über Deutschland oder Österreich, alleine auf Begegnungen mit dem Massentourismus basieren. Freilich ist das auf den Straßen Ägyptens erworbene „Touristendeutsch“ nicht zu überhören, die genauen Kenntnisse über die deutsche Fernseh- und Werbelandschaft verraten aber vor allem auch den regen Konsum internationaler Fernsehprogramme.

Deutschsprachige Touristen gehören gewiss zu einer der wichtigsten Zielgruppen für die Einheimischen, die vom Massentourismus leben. Die Wissensneugierde der Ägypter beschränkt sich aber keinesfalls nur auf uns Mitteleuropäer. Davon konnte ich mich persönlich in Kom Ombo überzeugen. Egal ob ich mich mit Straßenhändlern oder Lehrern unterhielt. Die Menschen, die ich kennenlernte, sprechen heute deshalb englisch, weil sie die Möglichkeit haben, englischsprachiges Fernsehen zu konsumieren. Ich war wirklich verblüfft, als mir diese bescheiden lebenden Menschen ihr Wissen über die deutsche Medienlandschaft demonstrierten. Das Fernsehen konnte sich als wichtiger Sprach- und Kulturführer für die Ägypter etablieren. Es informiert die Bevölkerung am Weltgeschehen und fördert somit auch die Kommunikationsfähigkeiten in Handel und Tourismus. Fernsehen lässt auch die ärmlichen Gesellschaften an den Ereignissen der Welt teilnehmen. Das Fernsehen etabliert die bildenden Partizipationsqualitäten jedoch nur als freies Medium. Mit anderen Worten: Fernsehen ist und bleibt ein durch staatliche Organe kontrollierbares Medium.

Fernsehen als kontrolliertes Medium

Während der ersten Aufstände in Ägypten vor einigen Jahren mussten wir wieder daran erinnert werden, dass Fernsehen und speziell der Fernsehkonsum vom Staat kontrolliert und zensiert werden kann. Damit erfolgt auch im Bereich passiv abholbarer Informationen ein verheerender Einschnitt. Die Bevölkerung wäre innerhalb weniger Augenblicke von der Partizipation am Weltgeschehen völlig abgeschnitten, wenn es nicht auch noch das Internet gäbe. Das Internet lässt sich nicht so einfach wie Fernsehen, ohne Überwindung der unzähligen Abhängigkeiten, domestizieren. Allerdings erfordert das Web Interaktion. Eine Eigenschaft, die wiederum speziell während Krisenzeiten, so wie wir sie auch in Ägypten beobachtet haben, ihr volles Potential ausschöpfen kann.

Ägypten ist auch heute noch ein sehr beliebtes Urlaubsziel für viele Europäer. Unberührt von den Unruhen im Land zeigt sich auch weiterhin der Massentourismus, der das angeeignete Sprach- und Kulturwissen, durch den Fernsehkonsum der Einheimischen, nach wie vor sehr schätzt. Leider hat das Medium Fernsehen mit den Möglichkeiten als Sprach- und Kulturtrainer auch schon versagt. Darüber im zweiten Teil dieses Beitrages mehr.

Vom Drang nach Selbstkundgabe zum Wissensportal

 

Der Drang nach Selbstkundgabe und der öffentlichen Selbstinszenierung gehört zu den Wesensmerkmalen sozialer Netzwerke. Lange Zeit vor Facebook war YouTube unter dem Motto „Broadcast Yourself“ bekannt für inszenierte Selbstportraits. Im Gegensatz zu Facebook gilt YouTube heute jedoch sehr wohl als hochgradig benutztes Pull-Medium. Ich vertrete die Meinung, dass die Gründe dafür hauptsächlich in den Möglichkeiten der Bewegtbildkommunikation zu finden sind.

Aufmerksamkeit erregen um jeden Preis

Auch auf YouTube können wir den ungebremsten Drang nach Selbstinszenierung beobachten. Dabei bleiben keine Peinlichkeiten und Skurrilitäten ausgelassen. Viele dieser Selbstinszenierungskünstler gelangten mit der hohen Aufmerksamkeit sogar zu Reichtum. Die öffentliche Selbstinszenierung in Form von Bewegtbildern erfordert nicht nur sehr viel Mut. (Oder Dummheit.) Erfolgreiche Aufmerksamkeitsstrategien erfordern vor allem auch sehr viel Kreativität und dramaturgisches Wissen. Diejenigen, die diesen Anforderungen gerecht werden, genießen deshalb auch die höchste Aufmerksamkeit. Alle anderen verschwinden in der unendlichen Bedeutungslosigkeit des Webs. Das große Plus von YouTube besteht aber darin, dass es völlig egal ist, Qualität oder Müll zu pushen, da sich selbige sowieso selektieren. Wichtig bleibt lediglich die Möglichkeit der Partizipation. Mit anderen Worten: Wir alle können teilnehmen und unsere Botschaften veröffentlichen, um die Beurteilung unseres Beitrages beobachten. Hier gibt es also auch eine intakte Wettbewerbssituation, die nicht nur von „Pushern“, sondern vor allem auch von der Neugierde der „Puller“ getragen wird.

Kommerzialisierung für Private

Erfolgreiche Aufmerksamkeitsstrategien in öffentlichen Netzwerken bedingen daher einerseits den Drang nach Selbstkundgabe von Medien-Pushern und andererseits die Neugierde der Medien-Puller. Kein Wunder, dass auch auf YouTube schnell kommerzielle Interessenten dominierten, diese aber auch schlau genug waren, die kostenlose Möglichkeit der allgemeinzugänglichen Partizipation zu bewahren. Damit haben bis heute viele Pusher die neuartige Chance entdeckt, ihre Konzepte und die Qualität der Videoclips zu verbessern, um damit die eigenen Haushaltskassen aufzubessern. Zielgerichtete Strategien werden mit kommerziellen Interessen verbunden. In weiterer Folge davon beobachte ich als Vorteil für den Medien-Puller, dass sich YouTube auch zukünftig zu einem wertvollen Bildungsmedium weiterentwickelt.

Von der Selbstinszenierung zum Bildungsportal

Das Netzwerk YouTube beinhaltet noch sehr viel ungenütztes Potential, dass sich in den nächsten Jahren weiterhin entfalten wird. Die auffälligste Entwicklung stelle ich in der genutzten Möglichkeit fest, Wissen mit einem solchen Netzwerk zu verbreiten. Beeindruckend zeigen sich die vielen Tutorials, die mittlerweile ein sehr breites Themenspektrum beinhalten. Egal ob jemand etwas über Gitarre spielen, fotografieren, kochen oder was auch immer erfahren möchte. Bei der Suche auf YouTube ist in den meisten Fällen ein brauchbarer Treffer dabei. Bevor ich diesen Blog startete, hatte ich keine Kenntnisse von WordPress. Mein komplettes Wissen darüber stammt aus Tutorials, die ich auf YouTube gefunden habe. Natürlich war die Qualität dieser Tutorials völlig unterschiedlich. Aber es gelang mir schlussendlich mit frei zugänglichen Videoanleitungen selbständig einen WordPressblog einzurichten. (Und damit wäre es mit Sicherheit auch meinem 82jährigen Vater gelungen.)

Ich beobachte auch ein zunehmendes Interesse für gemeinnützige Engagements, die dramaturgisch verarbeitet für gute Unterhaltung sorgen. Als Beispiel ist mir der Beitrag Fahrschule Hitler aufgefallen. Dabei handelt es sich um eine sehr gelungene und wortspielgespickte Persiflage, die sich gegen aufkeimenden Nationalsozialismus richtet.

Zusammenfassend kann ich feststellen, dass die zunehmende Kommerzialisierung auf YouTube für Pusher und Puller bisher nur Vorteile bieten kann. Die Kunst der Aufmerksamkeitserregung ist dabei noch längst nicht ausgeschöpft, die Bemühungen danach steigern aber kontinuierlich die Qualität der Medieninhalte. Damit diese Qualität steigen kann, sind kommerzielle Geschäftsmodelle erforderlich. Die freie und weltweit kostenlose Möglichkeit der Partizipation muss dabei jedoch für alle Menschen jederzeit bestehen, um auch weiterhin das Wesen eines sozialen Netzwerkes zu wahren.

 

 

 

 

Über Schein und Sein in sozialen Netzwerken

 

Soziale Netzwerke sind heute fest in unserem täglichen Mediengebrauch verankert. Freilich gibt es immer noch sehr viele erfolgreiche Verweigerer von Facebook, Twitter, YouTube und wie sie alle heißen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass in den nächsten Jahren auch diese Minderheit fallen wird. Ähnlich wie einst auch die Mobiltelefone schließlich in den Taschen der letzten Handymuffel ihren Platz gefunden haben, so wird auch der Gebrauch sozialer Netzwerke in den nächsten Jahren unseren Alltag mitbestimmen. (Für sehr viele Menschen trifft das bereits heute zu.)

Facebook als Bezeichnung für alle Netzwerke

Wer von sozialen Netzwerken hört, der denkt in erster Linie an Facebook. Facebook hat es geschafft, ein alleinstehendes Merkmal für soziale Netzwerke zu etablieren. Ähnlich wie wir heute zum Klebstoff einfach nur „UHU“ oder zu Taschentüchern „Tempo“ sagen, so denken wir im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken zuerst an Facebook. Damit wäre eigentlich schon die unaufhaltsame Erfolgsgeschichte von ausgerechnet diesem Netzwerk bewiesen. Mir ist momentan keine Marke mit einer so ausgeprägt dominanten unique selling proposition (USP) bekannt, die aus unserem Leben wieder verschwunden wäre. Umso interessanter für mich, ein bisschen die Entwicklungen rund um Facebook zu beobachten.

Freunde sammeln statt richtige Kontakte knüpfen

In der Frühzeit von Facebook konnten wir deutlich beobachten, wie sehr viele Menschen emsig damit beschäftigt waren, möglichst viele Freunde zu sammeln. Echte Kontakte zu knüpfen und eine gegenseitige Kommunikation in einem virtuellen Raum intakt zu halten waren damals wie heute unbedeutend. Natürlich war Facebook ein junges Medium, das zuerst von Menschen aus verschiedensten Milieus ausprobiert wurde. Angespornt, um verschollen geglaubte Bekannte oder ehemalige Schulfreunde zu finden, bot das Netzwerk neue Möglichkeiten und Ideen. Schon bald etablierte sich jedoch in erster Linie der Wettbewerbsgedanke, möglichst viele Freunde in seinem Portfolio aufweisen zu können. Die Realität sieht natürlich völlig anders aus, denn außerhalb des Cyberspace können wir bereits stolz darauf sein, zumindest fünf Menschen als unsere echten Freunde bezeichnen zu dürfen. (Familie und Verwandte sind bei dieser Zahl natürlich ausgeschlossen.)

Vorgegaukelte Anonymität

Leider glauben immer noch viele Netzwerkuser an eine Anonymität im Cyberspace. Ich behaupte, das Gegenteil ist der Fall. Auch ein Avatar und ein falscher Name können nicht über das Verhalten der Person, die hinter einem Profil steckt, hinwegtäuschen. Groß war die Ernüchterung, als selbst die naivsten User erkennen mussten, dass es im Netz de facto keinen gewährleisteten Datenschutz gibt. Es spielt daher auch keine Rolle, wenn jemand hoffnungsvoll nach Anonymität strebt, um weiterhin die eigenen Intimitäten ungeniert in der Weltöffentlichkeit zu verbreiten. Der „gläserne Mensch“ ist heute im Netz präsenter denn je.

Der Drang unwichtige Dinge zu verbreiten

Für mich war umso erstaunlicher zu entdecken, dass auch nach der ersten großen Datenschutzdebatte rund um Facebook trotzdem jede erdenkliche Peinlichkeit weiterhin gepostet wurde. Ich beobachte, dass der Drang nach „seelischer Entlastung“ im Web auch in nächster Zeit bei vielen Usern den eigenen Verstand kontrollieren wird. Facebook erfüllt demnach in ganz speziellen Usermilieus auch weiterhin die nicht unwichtige Funktion seelischer Entlastung, indem über private Wehwehchen und Glücksmomente berichtet wird, unabhängig der Verarbeitung und Weiterverwendung dieser Daten. Wer sein eigenes Leben in der Welt veröffentlicht, darf sich deshalb auch nicht über die kommerzielle Beschlagnahmung dieser Selbstkundgabe beklagen.

Kommerzialisierung versus Privates Netzwerk

Spätestens mit dem Gang an die Börse waren die tatsächlichen Absichten von Facebook nicht mehr zu verleugnen. Jedes Unternehmen muss Gewinne erwirtschaften, wie sollte es bei einem Milliardenunternehmen auch anders sein. Nach wie vor besteht die erkennbare Philosophie nach einem für alle Menschen der Welt frei zugänglichen Netzwerk. Der Konzern Facebook giert nach diesen Menschen und ihrem Streben nach Selbstkundgabe. Selbstkundgabe bedeutet Information und Informationen sind heute so wertvoll wie Gold. Mit Informationen über User, die heute nicht mehr bloß User, sondern vielmehr als Konsumenten bezeichnet werden können, werden Profite erwirtschaftet. Es versteht sich also von selbst, dass sich auch die Datenschutzbestimmungen von Facebook stets konform mit diesen Absichten befinden. Persönlich finde ich es deshalb auch sehr spannend, Facebook möglichst viele Informationen vorzuenthalten oder manchmal auch mit falschen Spuren an der Nase herumzuführen. Ein solcher Test kann manchmal ganz interessant sein um zu beobachten, mit welcher Werbung das eigene Profil plötzlich zugemüllt wird. (Natürlich nur über eine eigens eingerichtete Spam E-Mail-Adresse!)

Schafft Facebook den Sprung vom Push-Medium zum Pull-Medium?

Die Frage, die ich öfter stelle, befasst sich mit dem Wandel im Umgang mit sozialen Netzwerken. Im Falle von Facebook bin ich gespannt, ob aus dem beliebtesten Push-Medium ein qualitatives Pull-Medium wird. Immer noch ist Google das Pull-Medium schlechthin, wenn wir gezielt nach Informationen suchen. Die ursprüngliche Idee eines funktionierenden Pull-Mediums war aber bei Facebook eigentlich schon von Beginn an geschaffen und ist auch heute noch immer existent: Eine Netzwerk zwischen Freunden schaffen, die miteinander kommunizieren. Gegenseitige Kommunikation bedingt immer einen Sender und einen Empfänger von Botschaften, die sich in wechselwirkendem Verhältnis befinden. Sender und Empfänger sollten mit ihrem Netzwerk eine Vertrauensbasis schaffen, sie sollten Freunde werden. Auf dieser Basis wäre es umso einfacher und von höherer Qualität, Informationen abzurufen. Die Bedingung möglichst viele Informationen zu beziehen, besteht jedoch wieder in der Anzahl möglichst vieler verschiedener Freunde.

Ein Beispiel: Ich suche Informationen über ein Hotel oder eine Reise. Anstatt Google nach Bewertungen abzugreifen, löse ich eine Suchanfrage in Facebook aus. Je mehr Freunde das Netzwerk beinhaltet, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, genau zur gewünschten Anfrage Informationen zu erhalten.

Der Wandel sozialer Netzwerke

Auch Facebook wird sich, genauso wie alle anderen Netzwerke, verändern. Die Medientheorie lehrt uns, dass bisher kein Medium von einem neuern Medium verdrängt werden konnte. Sehr wohl jedoch veränderte sich der Umgang, der Gebrauch der vorher existierenden Medien. Ob sich Facebook tatsächlich zu einem echten Pull-Medium wandelt bleibt abzuwarten. Beobachtbar sind jedoch die ständigen Veränderungen und der Umgang mit diesem Netzwerk. Seit einiger Zeit scheint unter den Usern das Posten von Videos sehr beliebt zu sein. Eine Domäne, für die bisher speziell YouTube bekannt und beliebt war.

YouTube gehört neben Facebook zu den bekanntesten Push-Medien. Im Gegensatz zu Facebook hat dieses Netzwerk jedoch längst den Sprung zu einem qualitativ hochwertigen Pull-Medium geschafft. Darüber in meinem nächsten Beitrag mehr.

Die dramaturgische Kunst gelungener Überraschungen

 

In diesem Beitrag geht es um das „Gegengewicht“ zu den „erfüllten Prophezeiungen“, von denen ich im vorigen Beitrag erzählt habe. Es handelt sich um die Überraschungen, die Wendungen, die uns dramaturgisch faszinieren, wenn sie sich als glaubwürdige Enthüllungen von Informationen erweisen.

Falsche Spuren konstruieren

Besonders geschickten Autoren gelingt das Überraschungsmoment, indem sie ihr Publikum auf falsche Fährten locken. Wir kennen diese Vorgehensweise aus einigen erfolgreichen Krimiserien. In diesem Zusammenhang möchte ich speziell Cold Case, Close To Home und den Langzeitläufer Law And Order nennen. Das dramaturgische Prinzip konstruierter Überraschungen funktioniert bei diesen Erfolgsserien wegen der permanenten Streuung falscher Informationen. Die Ermittler folgen einer Spur nach der anderen, um zu entdecken, dass sie sich auf einem falschen Pfad befinden. Sie „kehren um“ und in der Auflösung entpuppt sich ein Täter, mit dem anfangs niemand wirklich gerechnet hat. Dabei müssen die Dramaturgen immer glaubwürdig bleiben und auch glaubwürdige Alibis konstruieren, die sich nachträglich als falsche Spur herausstellen. Nichts ärgert uns mehr, als ein Täter, der aus dem Hut gezaubert wurde und zuvor nicht im Visier der Ermittler aufgetaucht ist. Unser Drang, ein Rätsel zu lösen und herauszufinden, wer von den möglichen Verdächtigen nun tatsächlich als Täter in Frage kommt, darf durch unglaubwürdige Enthüllungen von Informationen nicht gestört werden. Freilich kann ein Publikum auch auf diese Dramaturgie konditioniert werden, weshalb die Autoren solcher Formate ständig vor neuen Herausforderungen stehen. (Oder die Serie wird irgendwann einmal eingestellt, weil sich die Muster abgenützt haben.)

Das platzierte Streuen falscher Informationen, um diese als gelungene Überraschungen in der Auflösung zu ernten, gehört wohl ohne Zweifel zu den anspruchsvollsten Aufgaben dramaturgischer Kunst. Aber in den meisten Genres, speziell im Bereich des Kinofilms, scheint das säen falscher Informationen bei einem konditionierten Publikum heute fast schon aussichtslos.

The Sixth Sense: Falsche Spur als Kinohit

Wenn wir darüber nachdenken, welcher Film uns außerhalb des Genres Krimi durch eine überraschende Auflösung verblüfft hat, so müssen wir wohl zugeben, dass es sich hierbei eindeutig um The Sixth Sense handelt. Ich gebe zu, auch ich habe mich trotz meiner Erfahrung und meines dramaturgischen Wissens, so wie viele Millionen anderer Menschen auch, auf eine falsche Spur führen lassen. Deshalb zählt der Film von M. Night Shyamalan heute zu den weltweit erfolgreichsten Filmen aller Zeiten. Kein Wunder, dass versucht wurde, eine ähnlich überraschende Auflösung in vielen nachfolgenden Filmen zu kopieren. Die Schwierigkeiten solcher Versuche dürften auf der Hand liegen. Es ist nämlich ein Unterschied, ob lediglich Überraschungsmomente in die Dramaturgie eingebaut werden sollen, oder ob eine überraschende Auflösung konstruiert werden soll, die alle vorhergehenden Informationen innerhalb einer Story ad absurdum führt.

Und das ist auch überhaupt nicht nötig. Überraschungen müssen nicht gleich die ganze Story tragen. Sie erfüllen bereits ihren Zweck, wenn sie unser Staunen über unvorhersehbare Wendungen erzeugen.

Wir lassen uns gerne auf falsche Spuren locken, um später in den Genuss von Überraschungen zu kommen. Im Film The Sixth Sense erlangen der Protagonist und das Publikum am Ende gemeinsam dieselbe traurige Erkenntnis. Obwohl wir zu Beginn des Filmes den Schuss auf die Hauptfigur gesehen haben, schafften es die Dramaturgen, damit eine falsche Information zu säen und uns während der ganzen Story auf einer falschen Spur zu halten, um uns mit der Enthüllung der richtigen Informationen am Ende zu verblüffen.

Ich wiederhole mich an dieser Stelle deshalb gerne nochmals: Das gezielte ernten der zuvor falsch gesäten Informationen gehört zur höchsten dramaturgischen Kunst.

 

Über die dramaturgische Kraft erfüllter Prophezeiungen

 

„Dramaturgiegurus“ erzählen uns oft, wie wichtig es ist, Überraschungsmomente in Storys einzubauen. Überraschungseffekte sind zwar sehr wichtig, sie benötigen aber auch ein „Gegengewicht“, um die Dramaturgie einer Story in Balance zu halten. Deshalb sind „erfüllte Prophezeiungen“ ein probates Mittel, um ihre komische oder tragische Funktionalität zu entfalten.

Sehr beliebt: Komik durch harte Schnitte

Das kennen wir alle. Wir erleben eine Vermutung oder eine Vorahnung eines Protagonisten und im darauf folgenden Schnitt sehen wir genau dieses Ereignis. Damit wurden schon oft sehr schnelle Lacher in erfolgreichen Komödien erzielt. Auch wenn wir es nicht gerne zugeben, aber es ist vor allem die in uns wohnende Schadenfreude, die uns zum Lachen über die „Schmerzen“ anderer verführt.

In Verrückt nach Mary (Orig.: There´s Something About Mary) erleben wir Ben Stiller in einer misslichen Lage, nachdem sich dessen bestes Stück im Reißverschluss verklemmt hat. Ein Polizist will dem Protagonisten gewaltsam helfen und versichert dem Armen, dass er das Schlimmste bereits überstanden hat. Der Cop beginnt bis drei zu zählen und wir ahnen bereits die schrecklichen Folgen dieses Rettungsversuchs. Noch bevor wir die „Drei“ hören, folgt der harte Schnitt auf die erwarteten Konsequenzen. Die Hauptfigur liegt auf einer Trage und die Sanitäter müssen den Verletzten durch die Menge der vielen Schaulustigen zum Rettungswagen tragen.

Im Film Vorbilder?! (Orig.: Role Models) hat Paul Rudd in einer Szene sehr schlechte Stimmung, weil er sich gerade vorstellt, wie er an einem Campingausflug teilnehmen soll und bei solchen Ausflügen immer einen Typen erwartet, der nicht Gitarre spielen kann. Im nächsten Schnitt sitzt er tatsächlich im Wald einem Typen gegenüber, der schrecklich an seiner Gitarre herumzupft.

Die Beispiele ließen sich noch zahlreich fortsetzen, aber die Funktionalität bleibt immer dieselbe. Der Schnitt auf die Erfüllung eines Ereignisses, das im Bild zuvor von einer Figur erwartet wird, erzeugt Komik. Das zeitliche Element spielt hierbei, neben unserer innewohnenden Schadenfreude, die zentrale Rolle. Das funktioniert bei allen komischen Stoffen. Für alle anderen Genres gelten zeitlich betrachtet etwas andere Regeln.

„Wie ich es hasse, immer Recht zu behalten!“ (Jeff Goldblum in Jurassic Park, als er vor einem T-Rex flüchten muss)

Der komische Effekt kann auch in anderen Genres erzielt werden, wenn die Zeitspanne zwischen Erwartung und Erfüllung eines Ereignisses gedehnt wird. In Jurassic Park beweisen alle drei Wissenschaftler ihre ablehnende Haltung gegenüber einem Freizeitpark mit gezüchteten Urzeitmonstern. Vor allem Dr. Malcolm, gespielt von Jeff Goldblum, ist eine zutiefst pessimistisch motivierte Figur. Sie ist diejenige, die bereits zu Beginn des Filmes die schrecklichen Folgen prophezeit. Und tatsächlich gelingt es nur kurze Zeit später einem T-Rex auszubrechen und Jagd auf die Besuchergruppe zu machen. Die Aussage in der Überschrift verleiht der Dramaturgie in dieser Szene zwar eine gewisse Situationskomik, sie hat jedoch nichts mit Bestätigung einer stets negativ denkenden Figur zu tun, sondern lediglich mit deren Enttäuschung darüber, dass sich der angeborene Pessimismus schon wieder bestätigt hat. Deshalb bleibt gerade diese Figur durchwegs sympathisch, manchmal auch witzig und wurde in der Fortsetzung sogar als Hauptfigur eingesetzt.

In anderen Filmgenres und in besonders tragischen Filmen überwiegt sehr oft das frühe Enthüllen von Prophezeiungen. Spannungstreiber ist dann vor allem die Neugier. Wir wollen wissen, wie sich die Dinge dahingehend entwickeln, die uns gleich zu Beginn dargelegt werden. Im Drama We Need to Talk About Kevin wollen wir beispielsweise erleben, wie sich das gestörte Verhältnis einer Mutter-Kind-Beziehung entwickelt und zur Metamorphose eines Kindes in einen bestialischen Amokläufer geführt hat. Viele Dramen funktionieren ähnlich, indem sie uns zuerst die Erfüllung von erwarteten Ereignissen zeigen und erst später die Entwicklung zu diesen Ereignissen zeigen.

Aber auch dann benötigt die Dramaturgie einen Gegenpol, der aus Überraschungsmomenten besteht. Eine Story, in der sich sämtliche Vermutungen bestätigen, wird sehr schnell langweilig. Spannende Storys benötigen deshalb auch gelungene und vor allem glaubwürdige Überraschungen. Doch dazu im nächsten Beitrag mehr.

„Ich bin dumm und du weißt nichts“ – Der kommunikative Leergriff für Neueinsteiger

 

„Ich beginne dort, wo andere aufhören“, das war ein Leitspruch, den ein Controller selbstbewusst an die Wertewand eines Unternehmens geschrieben hat. Ich wunderte mich bereits damals über die mutige Ansage des Neueinsteigers. Die berufliche Unerfahrenheit hat ihn zum Vorlaut veranlasst und damit gleichzeitig sämtliche Türen zu einer vertrauensaufbauenden Kommunikation verschlossen.

„Vorsicht, ich kenn dich nicht!“

Egal ob Führungskraft oder Mitarbeiter, zu Beginn eines neuen Dienstverhältnisses ist „der Neue“ immer ein Fremdkörper. Einer, den es gerade in den ersten Wochen genau zu beobachten gilt und ich versichere, er wird auch von der restlichen Belegschaft ganz genau beobachtet. In den meisten gut organisierten Unternehmen gibt es vordefinierte Abläufe, um den Neuzugang in sämtlich relevante Unternehmensprozesse einzuführen. Dabei geht es auch darum, den neuen Mitarbeiter zu integrieren. Mit anderen Worten: „Der Neue“ erhält die erste und wichtigste Chance, seine Kollegen kennenzulernen. Wir entscheiden in nur wenigen Augenblicken, ob wir eine Person sympathisch finden. Der Erstkontakt ebnet daher auch den Weg zu Erfolg oder Misserfolg kommunikativer Beziehungen mit alteingesessenen Mitarbeitern.

Deshalb ist es nicht nur unvernünftig, sondern auch ganz besonders dumm anzunehmen, dass die individuelle Genialität über das viel länger bestehende Wissen innerhalb eines Unternehmens triumphieren könnte. Der neue Mitarbeiter darf sicherlich sein selbstbewusstes Naturell zum Ausdruck bringen, er sollte sich aber davor hüten, alle bestehenden Prozesse und Arbeitsweisen seiner Kollegen und Mitarbeiter anzuzweifeln.

Erster Schritt: „Zuhören und Interesse zeigen!“

Gerade erfolgreiche Führungskräfte wissen es am besten. Zuhören schafft Vertrauen. Engagierte Mitarbeiter wollen gehört werden und kommunikativ können Neueinsteiger vor allem durch aufmerksames Zuhören eine wichtige Vertrauensbasis schaffen. Allerdings haben gerade Führungskräfte oder Angestellte in überwachenden Funktionen einen entscheidenden Nachteil. Sie bleiben in erster Linie Fremdkörper, denen man lieber nicht alles erzählt. Die Angst vor Rationalisierung oder höherer Arbeitsbelastung bleibt omnipräsent. Deshalb wird sich der alteingesessene Mitarbeiter dafür hüten, „dem Neuen“ zu viele Details über seine Arbeitsweisen zu erzählen. Er wird sich mitunter sogar dumm stellen und den Informationsaustausch absichtlich verweigern. Deshalb sollte die Kommunikation zwischen dem Mitarbeiter und der neuen Führungskraft durch aufmerksames Zuhören und dem Stellen von Fragen Vertrauen schaffen und kein Aushorchen sein. Der Mitarbeiter wird es schätzen, dass hier jemand vor ihm sitzt, der sich für seine Tätigkeiten und den damit verbundenen Problemen interessiert.

Zweiter Schritt: „Informationen austauschen!“

Wenn ein Mitarbeiter zulässt, dass die neue Führungskraft durch seine Kommunikationsbereitschaft Wissen aufbaut, dann muss diese Bereitschaft auch belohnt werden. Leider vergessen viele Führungskräfte, dass auch Mitarbeiter gerne über Veränderungen der Unternehmensprozesse informiert werden möchten. Erfolgreiche Kommunikation und das Erarbeiten eines intakten Vertrauensverhältnisses basiert immer auf gegenseitigem Informationsaustausch. Je persönlicher dieser Austausch stattfindet, desto höher wird die gegenseitige Wertschätzung sein.

Dritter Schritt: „Beratung mit Mitarbeitern als Mittel der Wertschätzung“

Der Controller in meinem Beispiel hätte gut daran getan, etwas weniger großspurig aufzutreten und zuerst auf das bestehende Wissen der Mitarbeiter zurückzugreifen. Auch die neue Führungskraft sollte während ihrer Karriere kontinuierlich auf diesem Wissen aufbauen. Es wird sich meistens beweisen, dass der Rückgriff auf bestehendes Wissen nur ein Vorteil für das gesamte Unternehmen sein kann. Der Mitarbeiter erfährt zudem die Wertschätzung für seine Person und seine langjährige Erfahrung. Er spürt das große Vertrauen, das in ihn gesetzt wird und die neue Führungskraft behält trotzdem die kommunikative Kontrolle bei unternehmensrelevanten Entscheidungen.

Leider beobachte ich, dass auch in unserer Unternehmenskultur das aktive Zuhören immer mehr verloren geht. Der persönliche Mittteilungsdrang und die einseitige Kommunikation, die Botschaft ohne Möglichkeit zur Reaktion, haben sich auch in unserem hektisch gewordenen Arbeitsalltag zusehends durchgesetzt. Darüber jedoch in einem anderen Beitrag etwas mehr.

„Keine Zeit zum Lesen“ – Über die gescheiterte Unternehmensinformation“

 

Ich habe bereits über die E-Mail Kommunikation und ihre Vor- und Nachteile in einem anderen Beitrag geschrieben. Heute erzähle ich von meinen Beobachtungen bezüglich Informationsvermittlung mit E-Mail. Relevante Informationen wurden vor der digitalen Zeit mit dem sogenannten „Schwarze Brett“ kommuniziert. Einige Firmen haben dieses Brett immer noch in Verwendung, damit auch Mitarbeiter, die nicht über E-Mail Zugang verfügen, informiert werden können. Aber die Infotafel übermittelt Nachrichten, die von den Empfängern aktiv bezogen werden. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur E-Mail Nachricht, der aber leider sehr oft unterschätzt wird.

E-Mail verschlingt relevante Informationen

Der altbackene Bürokrat der Neuzeit kennt das. E-Mails spülen täglich das Postfach voll und warten darauf, nach Bearbeitung in die erledigten Tasks zu wandern. Ständige Erreichbarkeit soll hier erzielt werden und die Verfügbarkeit selbst gewährleistet, dass auch Unternehmensinformationen schnell und einfach mittels E-Mail kommuniziert werden. Dabei wird oft vergessen, dass E-Mail heute in erster Linie zum Werkzeug funktionalisiert wurde. Die Flut der zu bewältigenden Nachrichten selbst verhindert bereits, dass E-Mail Botschaften heute noch genügend Aufmerksamkeit erhalten, um auch als relevante Unternehmensinformationen wahrgenommen zu werden. Der massive Umgang mit E-Mail entschuldigt deshalb unsere fehlende Wahrnehmung relevanter Informationen. Die Auswirkungen lassen sich anhand zahlreicher Beispiele belegen.

Keine Zeit zum Lesen

Ein praktisches Beispiel: In einem Unternehmen werden Personalstrukturen verändert. Damit auch alle Mitarbeiter möglichst schnell über diese Änderungen informiert werden, bietet sich ein E-Mail Flyer geradezu an. Kurze Zeit später stellt sich heraus, dass nahezu kein Empfänger die Information wahrgenommen hat. Warum? Die meisten Arbeitnehmer selektieren ihre Nachrichteneingänge nach Prioritäten. Unternehmensinfos liegen in dieser Prioritätenliste an letzter Stelle, weil sie nicht zu den Botschaften gehören, die auch bearbeitet werden müssen.

Der ausgelastete Empfänger von E-Mails opfert keine Arbeitszeit, um Mails zu lesen, die keine Reaktionen erfordern. Das ist eine völlig natürliche Haltung, über die sich der Sender von Infomails nicht wundern darf. Die Frage, die sich der Nachrichtensender stellen muss lautet daher: Wie kann ich die Aufmerksamkeit für meine Informationen bei den Empfängern erreichen?

Altbewährtes wirkt am Längsten: Die persönliche Kommunikation

Es klingt nicht nur völlig einfach, es ist auch simpel. Wichtige Informationen werden am wirkungsvollsten wahrgenommen, wenn sie persönlich übermittelt werden. Der Aufwand für persönliche Kommunikation ist dabei unwesentlich höher:

Die Geschäftsführung informiert die Abteilungsleitung und die Abteilungsleiter informieren ihre Mitarbeiter in Form einer kurzen Zusammenkunft über relevante Neuerungen.

Die persönliche Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter fördert zudem das gegenseitige Vertrauen gewährleistet die Aufmerksamkeit der Botschaftsempfänger. Die E-Mail Botschaft kann in dieser Hinsicht lediglich eine Protokollfunktion erfüllen, die schriftliche Form einer relevanten Information, die bestenfalls dokumentiert, in den seltensten Fällen jedoch auch wirkungsvoll informiert.

Über die machtlosen Codes im Arbeitszeugnis

 

Oft wird von einem Mitarbeiter, der sich für eine neue Stelle bewirbt, ein Arbeitszeugnis verlangt. Scheinbar ist diese Beurteilung sehr wichtig für einen Arbeitgeber, damit er ein klareres Bild über seinen zukünftigen Mitarbeiter erhält. Nach meinen Beobachtungen behaupte ich, dass dieses Zeugnis völlig überbewertet wird. Der Empfänger solcher Beurteilungen wird zwar immer wieder vor „versteckten Codes“ gewarnt, aber bereits die Enthüllung dieser Codes macht das Zeugnis eigentlich wertlos.

Die entmachteten Codes

Auch ein Arbeitszeugnis unterliegt einer bestimmten Struktur und einer durchgängigen Dramaturgie. Wie diese Struktur auszusehen hat, kann genauso zahlreich im Web nachgelesen werden, wie die versteckten Codes, vor denen sich der Arbeitnehmer hüten sollte. Dem Internet sei Dank, kann daher jeder von uns seine Beurteilung anhand von Checklisten prüfen und feststellen, welche Botschaft der Aussteller tatsächlich sendet. Aber wie mächtig sind versteckte Codes dann eigentlich noch? Das Internet hat diese Codes längst enttarnt und deshalb sind sie heute in ihrem geheimen Sabotageversuch gegen einen informierten Arbeitnehmer machtlos. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seinem Mitarbeiter ein ordentliches Arbeitszeugnis auszustellen und er darf dabei keine offensichtlich negativen Beurteilungen konstatieren. – Puh, das ist eine ganz schön große Herausforderung für den Aussteller. Kein Wunder also, weshalb sich überhaupt codierte Formulierungen etablieren konnten.

Die Codes in den Zeugnissen sind nichts anderes, als eine versteckte Kommunikationsform zwischen Arbeitgebern. Lange Zeit war sie dem Arbeitnehmer nicht bekannt, aber heute sind die Codes hauptsächlich Mittel zum Zweck. Ohne sie hätte der Arbeitgeber keine Chance, eine für ihn vertretbare und rechtlich legitime Bewertung auszustellen. In dieser Hinsicht ist die Funktionalität der Codes also noch intakt. Geheim sind sie jedoch schon lange nicht mehr und genau darin liegt die Möglichkeit für Arbeitnehmer, auch die Funktionalität der Codes zu entmachten.

Ein unmoralisches Angebot

Wie ich bereits oben erwähnte, bleibt das Verfassen eines Arbeitszeugnisses eine komplexe und höchst verantwortungsvolle Aufgabe. Viele Arbeitgeber wälzen diese Verantwortung deshalb ab oder noch schlimmer, verlangen vom scheidenden Mitarbeiter, die Beurteilung selbst zu schreiben. Warum sollte sich der Chef auch zusätzliche Arbeit aufhalsen und ein Zeugnis über eine Person ausstellen, die in Kürze sein Unternehmen verlässt? Und wie soll ein Arbeitnehmer mit diesem „unmoralischen Angebot“ umgehen? Ich sage es offen heraus: „Das Angebot unbedingt annehmen!“ Ein selbst geschriebenes Arbeitszeugnis ist in jedem Fall besser als ein unmotiviert geschriebenes und fehlerhaftes Zeugnis. Der Mitarbeiter erhält damit die einmalige Chance, die Codes zu entmachten und sie nach seinem Wohlgefallen zu benutzen.

Keine Angst vor angeblichen Übertreibungen

Bevor man das unmoralische Angebot annimmt und mit dem Schreiben beginnt, sollten noch einige Fragen geklärt sein:

  • Weshalb bietet mir ein Arbeitgeber an, das Zeugnis selbst zu schreiben?

Die Antwort dürfte in den meisten Fällen klar sein. In einer sehr hektischen und anfordernden Arbeitswelt, hat der Arbeitgeber einfach weder Zeit noch Lust, selbst eine aufrichtige Beurteilung zu schreiben. Das verrät uns übrigens auch sehr viel über den Charakter einer Person und wie diese Person zu seinem scheidenden Arbeitnehmer steht.

  • Kann ich alles schreiben was ich will?

Auf alle Fälle. Freilich wird der Arbeitgeber vorher lesen, was er unterschreiben soll. Solange Orthographie und Grammatik in Ordnung sind, werden ihm die Inhalte aber größtenteils egal sein.

  • Warum sind dem Arbeitgeber die Inhalte und somit die Beurteilung selbst egal?

Vermutlich wird er selbst auf das Gewissen seines scheidenden Mitarbeiters vertrauen. In aller Regel reflektieren wir eher bescheiden über unsere eigene Persönlichkeit und gerade deshalb ist es wichtig, Selbstvertrauen zu beweisen und auch nicht mit Übertreibungen zu sparen. Schließlich geht es um eine Bewertung, die ausschlaggebend für den weiteren Karriereverlauf sein könnte und um die sich der verantwortliche Arbeitgeber nicht kümmern möchte.

  • Wie sollte das Arbeitszeugnis aussehen.

Die Strukturen sind im Web zahlreich publiziert. Die negativen Codes können entmachtet werden, indem man sie einfach umgeht. Auch dazu gibt es bereits im Web zahlreiche Publikationen. Deshalb sollte man auch stets Superlative verwenden und mit Eigenlob nicht sparen, wenn es darum geht, die Bestnote zu erreichen. Wer in Orthographie und Grammatik nicht sicher ist, sollte unbedingt von einer kompetenten Person Korrekturlesen lassen.

Achtung vor übertriebenen Fachkompetenzen

Ich vermute, dass es heute sehr viele dieser unmoralischen Angebote gibt. Sie sind auch dem zukünftigen Arbeitgeber bekannt und er wird deshalb sehr aufmerksam das Arbeitszeugnis mit den anderen Bewerbungspapieren vergleichen. Ein Tausendsassa ist immer verdächtig, weshalb man sich hüten sollte, übertrieben hochgelobte Fachkompetenzen aus dem Arbeitszeugnis in Widerspruch zu den anderen Bewerbungsunterlagen zu setzen. Die sozialen Kompetenzen sind während einer Bewerbung hingegen nicht so einfach überprüfbar. Hier gilt das Arbeitszeugnis, das in diesem Fall aus derselben Hand stammt, als wichtiger Entscheidungsträger. Und genau darin liegt die Möglichkeit, mit den Codes zu arbeiten und diese für sich selbst arbeiten zu lassen.

Die entmachteten Codes im selbstgeschrieben Arbeitszeugnis können eine große Chance für scheidende Arbeitnehmer sein, aber bitte immer daran denken: Auch ein zukünftiger Arbeitgeber wird einen Täuscher sehr schnell enttarnen und dann sehr wohl entscheiden, ob er das neu begonnene Arbeitsverhältnis fortsetzen möchte.

Portrait: Thomas Christian Koller – Fotokünstler

 

Ich werde auf diesem Blog versuchen, manchmal auch etwas über interessante Menschen zu erzählen. Man könnte mir jetzt unterstellen, dass ich damit Werbung für einige Persönlichkeiten und ihre Arbeit mache. Nun, das mag durchaus sein, aber ich erzähle hier über Menschen, die ich persönlich sehr schätze und sich mit genauso großer Leidenschaft wie ich für die mediale Kunst und Kultur begeistern. In dieser Hinsicht lohnt es sich also, auch etwas mehr über Thomas Christian Koller und seine Arbeiten zu erfahren.

Wer ist der Fotokünstler Thomas Koller?

Ich habe Thomas bereits 2006, noch bevor wir zusammen gearbeitet haben, während eines Seminars in Wien kennengelernt. Ein witziger, etwas schlaksig wirkender Typ, weder vorlaut noch vorwitzig, zurückhaltend aber keinesfalls introvertiert. Nicht einmal zwei Jahre später haben wir das erste Mal zusammen gearbeitet und unser kollegiales Verhältnis hat sich bis heute in eine tolle Freundschaft entwickelt. Ich kenne wenige Menschen, die so hilfsbereit sind und mit so großem Herz für eine Leidenschaft leben. Und Leidenschaft ist die Fotografie für ihn zweifellos, so wie für viele andere Künstler auch.

Aber im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern setzt sich Thomas auch Grenzen, die er mit seinem Sturkopf zum Glück niemals brechen würde. Dabei handelt es sich um Prinzipien, die durch keine Honorarsumme zu kaufen sind. Die Schönheit muss bei ihm immer gewahrt bleiben und ich war nicht überrascht, als ich auf seiner Homepage das folgende Zitat gefunden habe, nach dem er auch all seine Arbeiten ausrichtet: „Fotografieren bedeutet, die Schönheit des Moments für immer zu bewahren.“

Wie zeigt sich die Schönheit fotografischer Momente?

In den Arbeiten von Thomas konnte ich immer wieder einige faszinierende Aspekte feststellen. Ich glaube, es gibt kaum einen Künstler, dessen Arbeiten so konträr sind und sich dabei trotzdem immer als Ausdruck der Freude für die Schönheit zuordnen lassen.

Bei seinem Bildband Train Impression finden wir uns im Expressionismus des deutschen Stummfilms wieder. Hier sind die „alten Dampfrösser“ nicht nur mächtige Maschinen, sondern lebendig und unheimlich wirkende Objekte. Einerseits bedrohlich, andererseits ein wichtiger Verbündeter unseres Industriezeitalters. Ich habe oft auch auf den Sammler Thomas Koller eingewirkt, damit er endlich diese großartigen Bilder, die während vieler Jahre entstanden sind, in Form eines Buches veröffentlicht.

Auf der anderen Seite finden wir Aktfotografie. Wahrscheinlich immer noch eines der schwierigsten Themen, die ich grundsätzlich sehr kritisch betrachte. Meiner Meinung nach ist die Aktfotografie heute viel zu populistisch und bietet nichts, was in vielen billigeren Magazinen als Massenware ihre Konsumenten erreicht. Bei Thomas ist das etwas anders. Er sieht Menschen, hier speziell Frauen, nicht als Ware, sondern als Feen und Prinzessinnen. Und genauso inszeniert er seine Models und lässt sie in einer magischen Märchenwelt posieren, in der es immer wieder neue Dinge zu entdecken gibt.

Zwischen den Welten: Menschen als Träger magischer Momente

Ich glaube, dass man auch etwas zwischen den Welten leben muss, um mit Bildern Geschichten erzählen zu können. Die Menschen sind es, die Thomas als fotografische Objekte am meisten faszinieren und ich glaube, dass er im alljährlich stattfindenden Life Ball ein Event seiner fotografischen Leidenschaft entdeckt hat. Hier spürt man die Märchenwelt, die Faszination für schrille und bunte Kostüme, die Schönheit einer fantastischen Welt, die es festzuhalten gilt.

Thomas liebt diese Märchenwelt, seine zwiespältige Welt und ich finde sie in beinahe all seinen fotografischen Werken. Egal ob er uns mit bedrohlich wirkenden Objekten oder mit fantastischen Figuren konfrontiert. Seine Fotografie erzählt uns immer auch etwas über die Schönheit der Dinge.

In dieser Hinsicht steht Thomas einem Künstler, der sich mit bewegter Bildkommunikation befasst, sehr nahe. Durch Einzelbilder und damit festgehaltene Momente komplexe Geschichten zu erzählen, das erfordert die größte Aufmerksamkeit und die höchste Kunst eines Fotografen. Die großen Maler unserer Zeit waren solche Meister der Beobachtung und Aufmerksamkeit und ich glaube, dass heute nur wenige Fotografen über ähnliches Geschick verfügen. Deshalb bin ich auch etwas stolz darauf, dass ich einen dieser Fotografen persönlich kenne und hier etwas näher vorgestellt habe.

Quellen:

http://www.thomas-koller.com/